Am 27.07.21 hat der Gemeinderat in Haar über Luftfilter in Schulen und Kitas abgestimmt und die Anschaffung bis auf Weiteres abgelehnt.
Auch die Grünen haben gegen die Anschaffung mobiler Luftfilter gestimmt. Es ist uns wichtig, unsere Gründe mit euch zu teilen, damit ihr unsere Entscheidung nachvollziehen und einordnen könnt.
Der Grünen Fraktion in Haar liegt der Schutz der Bevölkerung vor einer Coronaerkrankung sehr am Herzen. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist für uns doppelt bedeutsam, weil diese Bevölkerungsgruppe bisher keine Möglichkeit hat, sich durch eine Impfung vor Corona zu schützen. Ebenso wichtig ist es uns, gute Bedingungen für eine umfassende Bildung und Erziehung zu schaffen. Deshalb haben wir uns in der Vergangenheit immer dafür eingesetzt, Schulen und Kitas die bestmögliche materielle und personelle Ausstattung zur Verfügung zu stellen.
Daher begründen wir unsere Ablehnung auch nicht mit den spürbar hohen Filter-Kosten, sondern haben sorgfältig die Fachliteratur gelesen und die Empfehlungen kompetenter Expert:innen recherchiert. Unser Resümee lautet:
In unseren Schulen würden mobile Filtergeräte den Gesundheitsschutz von Lehrenden und Schüler:innen nicht erhöhen.
Die Studienlage sowie die aktuelle Gesetzeslage stellt sich für uns so dar:
Ob mit oder ohne Luftfilter, die Kinder müssen weiterhin eine medizinische oder FFP2-Maske tragen und die Räume müssen weiterhin gut gelüftet werden, denn dies bringt die deutlichste Reduktion der Partikelkonzentration bzw. -verbreitung.
Luftfilter würden nur in geschlossenen oder schlecht gelüfteten Räumen Sinn ergeben, solche Räume gibt es in Haars Schulen erfreulicherweise nicht.
In gut durchlüfteten Räumen helfen sie jedoch nur marginal und erzeugen möglicherweise sogar eine Scheinsicherheit, die zu Nachlässigkeit gegenüber den AHA-Regeln führen könnte. Die Positionierung der Filter im Raum ist sehr komplex. Wenn sie aber ungünstig stehen, helfen sie nicht nur nicht, sondern können sogar zu Gegeneffekten der Virenverdichtung führen. Dies bedeutet, jeder Raum müsste individuell geprüft werden und sobald Tische verschoben werden, wäre es notwendig, die Position neu zu bestimmen.
Ein weiterer Effekt war uns bei der Entscheidungsfindung wichtig: Aerosole sind nicht der Hauptüberträger, sondern dies sind die Tröpfchen, die nur durch Masken effektiv zurückgehalten werden können.
Um das Ganze für euch besser nachvollziehbar zu machen, fügen wir noch die Quellen der Studien an.
In der S3-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ vom Februar 2021 und in der Stellungnahme der DGKH (Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene) zum Einsatz von dezentralen mobilen Luftreinigungsgeräten im Rahmen der Prävention von COVID-19 vom September 2020 werden eine Reihe von Gründen aufgeführt, die die Erwartung an den Nutzen von Luftfiltern dämpfen. Zu den wichtigsten Vorbehalten gehören:
- Unzureichende Studienlage und damit eine viel zu schwache Evidenz (= Ausmaß, in dem Studienergebnisse als gesichert und belastbar angesehen werden)
- Hauptübertragung scheint Tröpfcheninfektion und nicht eine Aerosolinfektion zu sein, weshalb AHA-Regeln eine sehr viel höhere Wirksamkeit zugetraut wird
- Mobile Luftfilter können falsch aufgestellt werden, so dass sie entweder keinen Nutzen haben oder sogar Schaden verursachen
- Es gibt eine Reihe anderer negativer Effekte (Lärm, Kosten, ökologische Folgelasten etc.) die den beschränkten Nutzen in der Gesamtbilanz weiter einschränken
Die DGKH kommt zur folgenden zusammenfassenden Empfehlung (S.12):
„Die Einschränkungen in Bezug auf die Raumgeometrie, erforderliche Berechnungen der Strömungs- und Verdriftungseffekte, Dauer der Effekte, die Geräuschbelastung und die fehlenden Effekte auf die direkten Tröpfchentransmissionen, die das strikte Einhalten der AHA-Regeln erfordern, sind erhebliche Limitationen der Indikationen auch bei kurzfristigen und passageren Einsätzen. In größeren Räumen mit höheren Personenzahlen werden die Einschränkungen eher bedeutsamer, wenn es um den Einsatz mehrerer mobiler Geräte geht, um einen angemessenen Lufttausch oder die Erhöhung des Anteils von Viren gereinigter Luft erreichen zu können.
Als mögliche Einsatzorte, wo durch Luftreiniger durch nachgewiesene Reduktion der Viruslast ein möglicher Einsatz sinnvoll erscheinen könnte, kommen solche Bereiche in Frage, wo bestimmungsgemäß kein Mund-Nasenschutz getragen werden kann. Hierzu kommen ggfls. Restaurants oder Kantinen oder zahnärztliche Behandlungsräume in Frage, sofern diese nicht über eine ausreichende Lüftung oder eine raumlufttechnische Versorgung verfügen. Dabei ist jedoch die Lärmbelastung zu berücksichtigen.“
Betrachtet man die drei folgenden Studien
- Universität der Bundeswehr in Neubiberg: Können mobile Raumluftreiniger eine indirekte SARS-CoV-2 Infektionsgefahr durch Aerosole wirksam reduzieren?
- Universität Stuttgart: Mobile Luftreiniger sind keine Universallösung im Unterricht
- Umweltbundesamt: Lüftung, Lüftungsanlagen und mobile Luftreiniger an Schulen
so kann man zu folgendem Ergebnis kommen: FFP2- oder medizinische Masken sowie eine gute Durchlüftung der Räumen schützen die Schüler:innen zu 90%. D.h. Lüften und Maske reichen im Normalfall aus. Nur in Räumen, die schlecht gelüftet werden können, sind mobile Geräte sinnvoll. Luftfilter alleine reichen nicht aus, Lüften alleine reicht nicht aus. Masken + Lüften ist der einzige Schutz für unsere Kinder.
Oder andersherum, in schlecht belüfteten Räumen ist ein Luftfilter sinnvoll.
Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sieht Luftfilter ebenfalls nur als Ergänzung an, siehe Aktuelle Informationen des LGL.
Hinsichtlich des in der Sitzungsvorlage sowie der Süddeutschen Zeitung genannten Modelles aus Neubiberg, mobile Lüftungsanlagen und Trennwände zu installieren, bestehen Bedenken, da Trennwände die Wirksamkeit der mobilen Lüftungsanlagen vermindern.
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