Erster Radschnellweg statt zweiter Autobahn
Systematisch haben deutsche Autohersteller ihre Abgaswerte durch Betrugssoftware nach unten manipuliert. In vielen Städten wurden die Stickoxid- und Feinstaubgrenzwerte überschritten, die Folgen für die Gesundheit der Menschen sind gravierend. Während VW in den USA dafür hohe Strafen zahlen musste, passierte in Deutschland jahrelang nichts. Jetzt endlich zwingt das Bundesverwaltungsgericht die Städte und Länder zum Handeln. Wir Grüne fordern, dass die Automobilindustrie zum Nachrüsten der Altfahrzeuge verpflichtet wird.
Selbst wenn es künftig gelingt, die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, bleibt der Autoverkehr das Hauptproblem der Städte. Immer mehr Fahrzeuge und längere Fahrten zwischen Wohnen, Arbeit und Freizeitzielen belasten den Ballungsraum München. In Haar wurden jetzt 30.000 täglichen Autofahrten auf der B304 gezählt. Nahezu alle Verkehrsexperten stimmen heute überein, dass Straßenneubau keine Lösung für die Mobilitätsprobleme unserer Städte bietet, der bekannte Spruch „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten“ ist gültiger denn je. Nur in Haar scheint sich dies noch nicht herumgesprochen zu haben. Nach wie vor fordern SPD und CSU eine neue Schnellstraße parallel zur A99, obwohl diese momentan auf 8 Spuren ausgebaut wird. Wir Grüne halten diese Zweitautobahn für einen verkehrspolitischen Schildbürgerstreich: Eine breite Schneise müsste durch den Bannwald am Ortsrand geschlagen werden, Flächenverbrauch und Bodenversiegelung würden ungebremst vorangetrieben. Dabei zeigt die Haarer Verkehrszählung: Ein großer Teil des Verkehrs ist hausgemacht und beginnt oder endet in Haar. Er wird daher niemals auf eine Umfahrung ausweichen. Günstigstenfalls wäre der wachsende Autoverkehr auf zwei verkehrsreiche Straßen verteilt und auf der B304 hätte sich eh nichts geändert.
Nein, eine nachhaltige und zukunftstaugliche Verkehrspolitik für Haar sieht anders aus. Wir müssen Verkehr vermeiden, die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver machen und neue Radschnellwege bauen.
Hat der Wahnsinn nicht Methode, wenn zeitweise die Hälfte der S-Bahnen Richtung Haar in Trudering enden, statt zwei Stationen weiterzufahren und einen durchgehenden 10-Minutentakt anzubieten? Ja noch absurder: Nach dem heutigen Planungsstand soll, wenn die zweite Stammstrecke fertig ist, nur noch alle 15 Minuten eine Bahn nach Haar fahren. Dagegen protestieren zwar alle Gemeinden des Münchner Ostens, aber eine derartige Planung auch nur eine Sekunde lang ernsthaft anzustreben, bleibt ein Skandal. Ebenso unglaubliche Realität im Jahr 2018 ist, dass etliche Buslinien an der Stadtgrenze enden, man dort umsteigen muss und sich freuen darf, wenn der Anschluss klappt. Man könnte noch die nicht diebstahlsicheren Fahrradabstellanlagen nennen oder das MVV-Tarifsystem, das dazu einlädt, noch schnell ein Stück weiter Richtung Stadt mit dem Auto zu fahren. Dies sind Schwachpunkte, die das Auto attraktiver erscheinen lassen und das Umsteigen erschweren.
Das Fahrrad war schon immer ein effizientes, platzsparendes und sauberes Verkehrsmittel. Aber jetzt bieten E-Bikes eine zusätzliche Chance, es für viele zu einer realistischen Alternative zu machen. Sie verdoppeln in etwa den Radius eines durchschnittlichen Radlers, das heißt, dass 10-20 km als tägliche Fahrstrecke realisierbar sind. Dies bedeutet im Raum München, dass viele Ziele erreichbar werden und Räder einen wesentlich größeren Anteil am Verkehrsmix erreichen können. Allerdings müssen dafür neben weiteren straßennahen Radwegen auch neue Radschnellwege gebaut werden. Diese Schnellwege sollen möglichst direkte, kreuzungs- und ampelfreie, breite und gut beleuchtete Verbindungen zwischen Siedlungskernen bieten. Kopenhagen und Amsterdam machen es vor, und auch in Haar haben wir Ideen für schnelle Radverbindungen: zum Beispiel von Baldham, über die Autobahnbrücke, entlang der Bahn, mit einer neuen Radbrücke über die B471 und dann nördlich der Bahn nach Gronsdorf und Riem. Solche neuen Verkehrswege sichern die urbane Mobilität, nicht die Zweitautobahn der Autofraktionen.