Haushaltsrede 2022: Klimaschutz und sozialer Zusammenhalt

Lieber Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,

als erstes geht mein Dank an die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bei der Aufstellung des Haushaltplans 2023. Mein Dank gilt ebenfalls den anderen Fraktionen für die gute und sachorientierte Kooperation bei den Vorbesprechungen.

Ein Haushalt der Vernunft?

Mit den Nachtragshaushalt 2022 stehen wir mal wieder vor der seit einigen Jahren wohlbekannten Situation: Das laufende Haushaltsjahr war das beste in der Haarer Geschichte. Zugleich steht in dem einleitenden Text zum nächsten Haushaltsjahr eine eindrückliche Warnung davor, dass in Zukunft der Haushalt nicht mehr ausgeglichen werden kann, wenn wir nicht Grundsätzliches ändern. Ganz offensichtlich haben wir es in Haar also jährlich mit unerwarteten Haushaltentwicklungen zu tun: Zu Beginn eines Jahres erscheinen not­wendige Ausgaben, z.B. in den Klimaschutz oder in Bildung und Soziales, unverantwortbar. Am Jahresende kann dann aber festgestellt werden, es wäre möglich gewesen. Ent­lang dieser Linie ist eine planvolle, in die Zukunft gerichtete Weiterentwicklung der Ge­meinde mit den dafür erforderlichen Weichenstellungen nicht zu leisten.

Nach dem Wegzug unseres größten Gewerbesteuerzahlers ist es tatsächlich schwieriger geworden, die Einnahmeseite richtig zu kalkulieren und ja, wir alle wissen, wir brauchen eine Steigerung der Einnahmen in den nächsten Jahren. Hierfür brauchen wir eine Ansied­lung von Gewerbesteuer zahlenden Unternehmen. Mögliche Flächen für Gewerbeansied­lungen hat die Gemeinde in ihren Planungen festgelegt. Bzgl. Teilen der Gutswiese und der Blumenstraße wünschen wir uns eine offensivere Entwicklung von Rathausseite, aber vielleicht scheitert dies auch an einem Mangel an Personal in der Bauabteilung. Dieser Mangel wird unserer Fraktion zumindest stets als wichtigstes Argument entgegengehalten, wenn wir mehr Aktivitäten und Investitionen für den Klimaschutz fordern.

Ein Blick auf den Stellenplan zeigt: Wir haben im Stellenplan einen deutlichen Zuwachs an Stellen. Verglichen mit dem Stellenplan 2021 wird die Gemeinde im nächsten Jahr 17 Stel­len mehr haben (das entspricht 9 %), und zwar ohne das Personal im Sozial- und Erzie­hungsdienst. (Das ist herausgerechnet, weil dessen Anzahl sich unmittelbar aus der An­zahl der Kinder in den Kitas ergibt.) Die gesamten Personalausgaben steigen innerhalb eines Jahres von 15,4 Mio. € auf 17,3 Mio. € und damit um über 12 %. Einerseits ist ein Stellenzuwachs eine logische Folge einer wachsenden Gemeinde, andererseits muss man auch die Frage stellen, welche Potenziale in der internen Arbeitsorganisation liegen und ob diese auch genutzt werden. Zumal wenn trotz des deutlichen Zuwachses wichtige Auf­gaben aus personellen Gründen nicht erledigt werden können. Wir als Gemeinderät:innen müssen uns wohl fragen, ob wir bei den Entscheidungen zum Stellenplan die richtigen Pri­oritäten gesetzt haben.

Zurück zu meiner Eingangsfrage: Ein Haushalt der Vernunft?

Es wäre ein Haushalt der Vernunft, wenn mit den vorhandenen Mitteln wichtige Weichen für die Zukunft gestellt werden würden. Die Ausgangslage für den Haushaltsplan in 2023 ist dabei besser als in den Jahren davor.

Was sind die wichtigen Weichen für die Zukunft, die richtig gestellt werden müssen? Das sind mehr Engagement für den Klimaschutz und Investitionen in die Stärkung des sozialen Zusammenhalts.

Der Blick in den Haushalt zeigt, es bleibt dabei: Haar macht Trippelschritte in Richtung Kli­maschutz. Hier ein paar Beispiele:

  • Das Dino soll in Cradle-to-Cradle-Bauweise neu gebaut werden. Schön, großartig! Doch wir wollten das eigentlich schon 2020 auf den Weg bringen und hoffen jetzt, dass es 2023 mit den Planungen endlich richtig losgeht.
  • Die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED soll im nächsten Jahr fertiggestellt werden. Wir haben dann über 10 Jahre dafür gebraucht.
  • Wir planen für die Verbesserung des ÖPNV im Jahr 2023 einen Wettbewerb zur baulichen Gestaltung eines Busbahnhofs. Das soll eine neue Drehscheibe werden, um mehr Menschen für den ÖPNV zu begeistern. Im Haushalt für das Jahr 2016 wurde hierfür ein erster Anlauf unternommen, sieben Jahre später wird es vielleicht konkreter.
  • Wir investieren ordentlich Geld in den Ausbau des Radwegenetzes, indem wir die Realisierung des Schnellen Radwegs auf Haarer Flur starten. Ein Projekt, dass hof­fentlich nicht ins Stocken gerät.
  • Wir rechnen mit Ausgaben für die Beheizung gemeindlicher Gebäude in einer Grö­ßenordnung von deutlich über einer Million Euro und investieren praktisch nichts in die energetische Sanierung gemeindlicher Gebäude. Nur mit einigem Aufwand ist es uns gelungen, im Haushalt die Grundlagen dafür zu schaffen, dass sich die Ge­meinde bei einem Bundesprogramm für ein Energiecontracting bewerben wird. Da­mit soll eine Umstellung des Schulzentrums an der St. Konradstraße auf regenera­tive Energie möglich werden. Eine systematische Sanierung gemeindlicher Wohn­gebäude wird nach wie vor auf die lange Bank geschoben. Eine regenerative Ener­gieversorgung für das sich in einer grundlegenden Renovierung befindliche Bürger­haus wird noch immer in Frage gestellt. So wird die öffentliche Hand ihrer Verant­wortung nicht gerecht und die strukturellen Kosten bleiben auf Jahre hoch.
  • Nach einem kleinen Zwischenhoch bei der Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen (Gebäude an der Salmdorfer Straße und Konradschule) ist dieser Prozess wie­der ins Stocken geraten. Erst unser beharrliches Nachfragen in den Haushaltsvor­besprechungen hat dazu geführt, dass zukünftig wenigstens bei Dachsanierungen systematisch geprüft wird, ob man nicht auch gleich Photovoltaikanlagen anbringen kann.

Diese Zögerlichkeit ist in vielfacher Hinsicht fatal: je länger wir damit warten, die notwen­dige Schritte auf den Weg zu bringen, umso gravierender sind die negativen Folgen des Klimawandels, umso höher die Kosten, umso unsozialer die Konsequenzen. Zudem profi­tieren wir in finanziell eher klammen Phasen nicht von den möglichen Ersparnissen bei den Energiekosten und engen unseren Handlungsspielraum für andere gemeindliche Auf­gaben unnötig ein. Bei diesem Thema sind die Weichen nicht richtig gestellt! Hier bräuchte es einen wirklichen Aufbruch, eine stärkere Konzentration gemeindlichen Handelns. Aber statt beispielsweise das Potenzial des Energiearbeitskreises zu nutzen, lässt man diesen einschlafen.

Aber vielleicht ist es beim zweiten Thema besser. Was sagt uns der Haushalt zu dem Thema „sozialen Zusammenhalt fördern“:

  • Es gab in diesem Jahr zum Glück keine schrägen Diskussionen über unrealistische Einsparpotenziale, die wir angeblich erzielen könnten, würden wir Vereinen und so­zialen Organisationen Fördermittel streichen. Immerhin ein kleiner Fortschritt!
  • Wir stellen Geld bereit für eine 950-Jahrfeier, von der wir uns erhoffen, dass es so viele Begegnungsorte für die Menschen in Haar gibt und die Haarer Vereine und Initiativen sich ihnen präsentieren können.
  • Wir gestalten den Sportplatz an der Vockestraße neu, so dass er in Teilen auch öf­fentlich genutzt werden kann.
  • Wir planen im Sozialamt wieder alle Stellen zu besetzen, endlich.
  • Wir renovieren (nach jahrelanger Ablehnung unserer Vorstöße) die Notunterkünfte in Haar, so dass wir als Gemeinde Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, besser helfen können.
  • Wir legen einen Nothilfefond auf, damit die Gemeinde, Härten, die sich aus der ak­tuellen Lage ergeben, etwas abmildern kann.
  • Aber Themen wie Inklusion, Barrierefreiheit, Sensibilität für individuelle Notlagen fallen regelmäßig hinten runter. Die Gemeinde lagert wichtige Projekte an die Bür­gerstiftung aus und schwächt so ihre Funktion als Anlaufstelle für soziale Prob­leme.
  • Und was wir bei weitem nicht ausreichend machen, ist in den Wohnungsbau zu in­vestieren. Wir müssen das kommende Jahr nutzen, daran zu arbeiten, hier wieder voranzukommen.

Ist es also ein Haushalt der Vernunft? Ökologisch betrachtet und damit in Bezug auf eine der großen Herausforderung der Zeit, fehlt es an Vernunft und in die Zukunft gerichtetem Handeln. Sozial werden manche Impulse gesetzt, aber ein wirklich sozialer Haushalt würde offensiver soziale Probleme aufgreifen.

Dieser Haushaltsplan ist für uns, die Verpflichtung daran zu arbeiten, dem Ziel näher zu kommen, nächstes Jahr einen Haushalt der Vernunft präsentieren zu können. Mehr Grü­ner Weitblick oder Optimismus war angesichts einer um sich greifenden Unvernunft auf­grund der für die nächsten Jahre vermuteten Einnahmedelle offensichtlich nicht zu errei­chen.

Dr. Mike Seckinger Fraktionssprecher von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Ulrike Olbrich Fraktionssprecherin von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN

 

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