1. März 23: MdL Stümpfig: So gelingt die Energiewende in Haar und Deutschland

Martin Stümpfig

MdL Martin Stümpfig mit Ulrike Olbrich, Henry Bock und Ulrich Leiner

Die Haarer Grünen luden am 1. März 2023 zu einer Veranstaltung zum brandaktuellen Thema „Raus aus Öl und Gas – was tun in Haar?“ ein. Ziel der Veranstaltung war, es den Bürger:innen das Thema näher zu bringen und Wege aufzuzeigen, was jede und jeder einzelne tun kann. Referent war Martin Stümpfig, Mitglied des Landtages (MdL) und energiepoltischer Sprecher der Grünen.

Nach der Begrüßung durch Henry Bock, Mitglied des Gemeinderats, startete Martin mit seinem inter­aktiven Vortrag. Die rund 30 Anwesenden stellten Martin immer wieder Zwischenfragen. Da­durch entstand eine lebhafte Diskussion. Wie schon am Titel der Veranstaltung erkennbar, ging es weniger um die Stromwende – diese läuft mit Ausnahme von Bayern in Deutschland schon relativ gut – sondern um die Wärmewende. Bei der Wärme wird bisher erst ca. 20% regenerativ erzeugt. Hier ist der Weg bis 100% noch weiter und deut­lich aufwendiger, da es um ca. 20 Millionen Gebäude und deren Heizungen in Deutschland geht.

Haar ist vor ca. 15 Jahren sehr gut in die Stromwende eingestiegen. Es wurden drei größere Photo­voltaik-Anlagen (PV) gebaut; und zwar unter Beteiligung der Bürger:innen. Darauf kann die Ge­meinde heute noch stolz sein. Worauf Haar aber nicht stolz sein kann, ist, dass sich seit dieser Zeit kaum noch etwas getan hat und der Anteil des Stroms aus erneuerbaren heute nur 15% beträgt. Damit ist Haar im Ver­gleich in Bayern im hinteren Teil zu finden. Andere Städte und Gemeinden sind schon seit langem an Haar vorbeigezogen.

Hier einige Aussagen und wichtige Punkte des Abends:

  • „Kernkraft wird unser Energieproblem nicht lösen, da der Stromanteil daraus viel zu gering ist.“
  • Es wurde intensiv über die neue Gesetzesinitiative aus Berlin diskutiert, ab 2024 keine neue Öl- und Gasheizungen mehr zu installieren. Grundsätzlich sollte dieser Punkt von zwei Seiten be­trachtet werden:
    Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Wenn wir jetzt aber weiter Öl und Gas ver­feuern, ist dieser Termin nicht mehr zu halten. Daher ist für Neuanlagen ein Umstieg dringend geboten. Ab wann oder nach wie vielen Jahren der Nutzung auch Altanlagen umge­rüstet werden sollen oder müssen steht noch nicht fest.
    2. Der Gesetzgeber muss aber auch die Bürger:innen vor zu hohen Energiepreisen schützen. Langfristig wird der Öl- und Gasverbrauch in Deutschland spürbar sinken. Dies macht den Im­port für Firmen uninteressant und wird zu Folge haben, dass die Preise deutlich steigen. Schon jetzt sind sie 5-6 Mal höher als vor dem Ukraine-Krieg. Die Experten gehen davon aus, dass die Richtung langfristig nach oben zeigt. D.h. wenn Bürger:innen jetzt neue Heizungen ein­bauen, werden sie in 20-30 Jahren deutlich erhöhte Energiekosten haben.
  • Die Wichtigkeit der Gemeindewerke wird immer wieder betont. Sie haben einen großen Ein­fluss und viele Möglichkeiten, die Energiewende zu unterstützen. So könnte es einen speziellen Tarif für Wärmepumpen geben, da diese oftmals bis zu ca. 4 Stunden vom Netz ge­nom­men werden können, ohne das die Bewohner:innen es spüren.
  • Auch bei Balkonsolaranlagen könnten die Gemeindewerken den Bürger:innen helfen, indem sie die Anträge vereinfachen, nicht direkt auf einen digitalen Zähler bestehen oder eine Muster­anlage anbieten. Damit müsste nicht jede:r bei der Auswahl einer Anlage von vorne beginnen.
  • Der Begriff „klimaneutral“ wurde ebenfalls von allen Seiten beleuchtet. Klimaneutral be­deutet, dass wir nur so viel CO2 in die Luft emittieren, wie die Erde auf der anderen Seite wieder auf­nehmen kann. Dies bedeutet z.B. für Deutschland, dass ca. 10% des CO2-Ausstoßes wieder von Bäumen, Mooren oder Wasser aufgenommen wird. Wir müssten also 90% vermeiden, um Neutralität zu erhalten. Um diese Reduktion zu erreichen gibt es viele gute, aber auch einige fragwürdige Wege. Durch mehr regenerative Energieerzeugung, Sanierung von Häusern (Heizung, Dämmen, Fenster, …), Mobilitätswende (mehr ÖPNV, E-Autos), Aufforsten von Wäldern in Deutschland und weiteren Maßnahmen können wir den CO2-Ausstoß direkt und tatsächlich senken. Dies sind die guten Wege.
    Schlechte Wege sind, wenn wir uns über mehr oder weniger dubiose CO2-Zertifikaten „neutral waschen“. Damit reduziert sich der CO2-Ausstoß nicht und ob z.B. der Wald in Asien wirklich dauerhaft erhalten bleibt, ist äußerst fraglich.
  • Die früher populäre Nachspeicher-Heizung wurde ebenfalls angesprochen. Dies kann in Zu­kunft ebenfalls einen positiven Beitrag zur Wärmewende liefern. Nachts, wenn genügen Strom vorhanden ist, wird die Wärme gespeichert (daher der Name) und tagsüber wenn sie be­nötigt wird wieder abgegeben.
  • Leistungsfähige Stromleitungen und Netzinfrastruktur sind das A und O der Energiewende. Der Strom wird schon jetzt an vielen Orten in Deutschland erzeugt und nicht mehr wie in der Vergangenheit von wenigen Großkraftwerken. Hinzu kommt das Nord-Süd-Gefälle wegen der Windkraft im Norden.
  • Die Regierung in Berlin hat schon viele Gesetze angepasst (fast 100 in 2022) um die Energie­wende voranzutreiben. Dieses Jahr werden weitere folgen u.a. um das Mieterstrommodell zu vereinfachen.
  • Bei der Windkraft spielt das Thema Infraschall keine Rolle. Die damals aus Bayern stam­menden Berechnungen waren um den Faktor 4000 zu hoch. Nachdem diese nun korrigiert sind, ist der natürliche Infraschall in der Umgebung höher als der eines Windrades.
  • In welcher Reihenfolge ein Gebäude saniert wird gab es unterschiedliche Meinungen. Hier gibt es zwei Ansätze: 1. Erst dämmen und dann die Heizung erneuern oder 2. Erst eine neue Heizung und dann schauen was im Gebäude noch gemacht werden muss, evtl. fällt eine Dämmung der Fassade weg. Wo sich alle einige waren ist, dass erst das Gebäude genau be­trachtet werden muss, bevor begonnen wird. Ansonsten könnte der Schaden deutlich höher sein, als der Nutzen.

Nach über zwei Stunden anregender Diskussion und Vortrag beendete Ulrich Leiner die Veran­staltung und dankte für die Teilnahme und vielen wertvollen Beiträge.

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