Wie wir in Zukunft pflegen

Am 17.3.22 organisierten die Haarer Grünen eine Online-Veranstaltung zur Zukunft der Pflege. Unter den Teilnehmenden waren Fachleute aus der stationären und ambulanten Pflege aus Haar, Politiker:innen aus Bezirkstag, Kreistag und Gemeinde, Gewerkschaftsvertreter wie auch interessierte Bürger:innen.

Eingangs präsentierten Stefanie Schlieben und Michael Wittmann von der “Vereinigung der Pflegenden Bayerns”, beide aus Haar, Ergebnisse einer vom VdPB herausgegebenen Studie.

Hier wurde die Entwicklung der Anzahl der Pflegekräfte in Beziehung zu der wachsenden Zahl der Menschen, die pflegebedürftig werden, gesetzt. Diese fundierten Ergebnisse wurden erstmals auch speziell für den Großraum München und den Landkreis München erfasst (Hier der Link zu der Studie).

Bereits jetzt besteht in der Pflege ein immenser Mangel an Pflegekräften. Viele Kliniken und Pflegeanbieter im Großraum München überbieten sich bereits mit Zahlungen wie Boni für Neuanfänger, Ballungsraumzulagen und anderen, um sich die Mitarbeiter:innen gegenseitig abzuwerben, berichtete Ben Pulz, Gewerkschaftssekretär von ver.di.

Laut Studie werden jedes Jahr bereits jetzt über 1000 Pflegekräfte zu wenig ausgebildet. Es gibt zu wenig Pflegeschulen, aber auch zu wenig Lehrkräfte für Pflege. Es würde Jahre dauern, diese Lücken zu schließen. Leider gibt es auch immer weniger junge Menschen, die sich für den Beruf interessieren.

Durch Zuzug, den demografischen Wandel und insbesondere, weil die Kinder wegziehen oder beide arbeiten und dadurch immer seltener ihre Eltern pflegen können, wird der Bedarf an Pflegekräften bis 2040 deutlich weitersteigen. Je nach Gemeinde werden 27% bis 84% mehr Menschen pflegebedürftig werden.

Den aktuellen Mangel an Pflegekräften bestätigte auch Margarete Forster, Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe Haar. Sie konnte auch berichten, dass es bereits jetzt weniger Angehörige gebe, die ihre Lieben noch pflegen. Sie sehe auch kaum noch Ressourcen, hier mit ehrenamtlichen Helfer:innen einzuspringen.

Ben Pulz forderte, die Pflege von Menschen nicht mehr als kommerzielles Geschäft zu organisieren, in dem Firmen Gewinne machen müssen, sondern genauso wie Krankheit oder Bildung die Pflege als Gemeinwohl zu verstehen, wofür dann als Teil der allgemeinen Daseinsvorsorge auch die Kommunen zuständig sein müssten.

Frauke Schwaiblmair, Inklusionsbeauftragte des Bezirks Oberbayern und grüne Gemeinderätin aus Gräfelfing, sah auch die Chancen der Kommunen. Sie verwies auf Fördermöglichkeiten wie das Programm des Freistaats Bayern “PflegeSoNah” und die Quartierspflege. Damit kann der weniger Pflegekräfte-intensive Bereich der ambulanten Kurzzeit- und Verhinderungspflege wie auch Tagespflegestätten ausgebaut und ggf. der Bedarf an stationärer Pflege verzögert werden. Hier sind auch klassische kommunale Aufgaben im Wohnungsbau gefragt. So habe gerade Gräfelfing jetzt große Probleme, weil sie zu wenig Zuzug an jungen Menschen hatten und damit jetzt eine Einwohnerstruktur mit mehr älteren Menschen und somit erhöhtem Pflegeaufwand haben.

Frau Schlieben und Herr Wittmann betonten nochmals, dass es für die Pflege einen Systemwechsel geben muss:

  • Pflegende müssen ein besseres Image wie auch besseres Gehalt erhalten
  • Pflegekräfte müssen eigenverantwortlich in ihrem Beruf arbeiten können – ohne ärztliche Anordnung z.B. für Rollatoren oder auch Pflegemittel zu brauchen
  • Pflege muss sich deutlich mehr auf die Prävention fokussieren: Beispielsweise bereits in Schulen, als sog. “Community Health Nurses”, oder auch im Rahmen des “Buurtzorg-Systems”, wie es viele skandinavische Länder bereits etabliert haben.

Aus der Diskussion ergaben sich dann auch Ansätze, die in der Verantwortung der Gemeinde liegen:

  • Stärken und Fördern des Ehrenamts in der Pflege, Ausbau von ambulanten Pflegestrukturen und Koordinieren der immer knapper werdenden Ressource an professionell Pflegenden.
  • Hierzu wird auch der unabhängige Pflegestützpunkt beitragen, den der Landkreis aufbauen wird. Leider konnten wir den Landkreis nicht überzeugen, diesen in Haar zu stationieren.

Hier geht es zum Bericht zur Veranstaltung in der Süddeutschen Zeitung: Das System der Pflege ist krank

 

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