Stelzenradweg: Alle Fragen sind offen

Ja, die Verkehrswende hin zum Umweltverbund braucht mutige Denkansätze und konkrete Umsetzungsschritte, und selbstverständlich gehören dazu auch schnelle, bequeme und sichere Radwege. Ob dazu aber auch die Idee der drei CSU-Politiker Leonhard Spitzauer,  Stefan Ziegler und Andreas Bukowski gehört, einen aufgeständerten Radweg über der B304 zu errichten, erscheint uns weiterhin mehr als fraglich. Ja, aufgeständerte Radwege sind geeignet, Flüsse, Autobahnen oder Bahntrassen zu überbrücken und so eine schnelle Verbindung für Radfahrende herstellen. Oder wie Uta Bauer, Mobilitätsexpertin am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), sagt: Sie machen den Radverkehr vor Ort attraktiver und sind beispielsweise in den Niederlanden gut in das übrige Stadtbild integriert. Allerdings sind sie keine eigenständigen Bauwerke für die Langstrecke, sondern lösen stets ein punktuelles städtebauliches Problem (Quelle: Die Zeit ,“Radwege für Überflieger“, 24. Oktober 2021).

Wir können uns daher gut vorstellen, solche Radbrücken über die B471 und andere Hindernisse des Schnellen Radwegs entlang der Bahnlinie München-Ebersberg zu errichten. Diese Trasse ist unser Angebot an Streckenradelnde im Münchner Osten: schnell, hindernisarm, kostengünstig und einfach realisierbar. Sie wurde von Grünen in zehn Orten gemeinsam erarbeitet und entspricht im Haar dem einstimmig verabschiedeten Mobilitätskonzept der Gemeinde.

Bevor ein Hochradweg über der B304 hingegen auch nur näher erwogen werden könnte, müssten eine Menge noch offener Fragen untersucht und positiv beantwortet werden (Spoiler: was wir uns nicht vorstellen können).  Damit alle diese Fragen kennen und mit uns diskutieren können, veröffentlichen wir die Liste an offenen Punkten, die wir in den letzten Wochen zusammengetragen haben.

Bedarf und Verkehrsanalysen

  • Gibt es Analysen, mit welchen Radverkehrsaufkommen gerechnet werden kann?
  • Welche Verlagerungseffekte im Modal Split sind zu erwarten?
  • Muss nicht vor allen anderen Schritten eine standardisierte Kosten-Nutzen-Bewertung stattfinden?
  • Gibt es eine Bedarfsanalyse, wo wie viele Rampen benötigt werden, beziehungsweise, wie sich das Zahl der Rampen auf Akzeptanz und Nutzungsfrequenz auswirkt?
  • Kann das Büro intraplan, das auch viele andere Verkehrsanalysen und Projektbewertungen im Landkreis macht,  damit beauftragt werden?
  • Besteht die Gefahr einer „Kannibalisierung“ zwischen Stelzenradweg und schnellem Radweg Ostbahnhof-Ebersberg?

Attraktivität im Betrieb

  • Wie stark sind Radfahrenden den Emissionen des MIV unter ihnen ausgesetzt? Messungen in der entsprechenden Höhe wären nötig.
  • Wie bremsend wirken die Windverhältnisse, besonders der Westwind, da die Trasse weitgehend west-ost verläuft? Messungen in der entsprechenden Höhe wären nötig.
  • Wie groß sind die rampenbedingten Umwege? Welche Zeitverluste treten dadurch ein?
  • Fahrdauervergleiche für beide Radweg-Projekten zwischen wichtigen Start- und Zielpunkten wären wünschenswert.

Technik, Bau und Unterhalt

  • Welche Bauhöhe und Bauweise ist nötig, damit Münchner Trambahnen darunter fahren können?
  • Welche Anforderungen stellt die mvg in diesem Zusammenhang und wurde mit ihr bereits gesprochen?
  • Wie umfangreich sind die Arbeiten im Untergrund, damit die Ständern sturmfest verankert sind?
  • Sind im Boden Altlasten zu erwarten, sind Kabel oder andere Hindernisse verzeichnet?
  • Welchen Flächenverbrauch haben die Rampen?
  • Wie sind die Verbindungen der Rampen zu der in der Fahrbahnmitte verlaufenden Trasse ausgeprägt?
  • Welche Unterhaltsaufgaben (Reinigen, Streichen, Reparieren, Leuchtkörper austauschen, Kontrollen durchführen usw.) sind zu erwarten?
  • Wie erfolgt der Anschluss der PV-Anlagen?
  • Sind die Normelemente des Hochwegs flexibel genug, um dem Straßenverlauf zu folgen?
  • Wie viele Peitschenlampen und Lichtsignalanlagen müssen abgebaut und neu errichtet werden?
  • Wie genau erfolgt der Anschluss zur bestehenden Brücke am Ernst-Mach-Gymnasium?
  • Was würde ein Bau für den laufenden Verkehrsbetrieb auf der B304 bedeuten?

Bürokratie und Rechtsfragen

  • Gibt es Bedenken wegen Datenschutz / Wahrung Privatsphäre wenn man aus 5m Höhe in Grundstücke / Wohnungen der Anwohnenden einsehen kann?
  • Können Rettungsfahrzeuge auf den aufgeständerten Radweg fahren (Rampen), um z. B. Verletzte zu retten oder gibt es andere Rettungsmöglichkeiten?
  • Ist der Brandschutz bei der Holzkonstruktion gewährleistet?
  • Verkehrssicherungspflicht: müssen auf den Rampen die evtl. nur teilweise beheizten Flächen nicht doch geräumt und gestreut werden?
  • Welche Höhe und Stabilität ist nötig, damit die Geländer und Brüstungen unfall- und absturzsicher sind?
  • Muss das Straßenbauamt Freising zustimmen und welcher Prozess müsste dafür durchlaufen werden?
  • Hat die Gemeinde Zugriff auf die Grundflächen, die für die Rampen nötig sind?
  • Ist ein gemeindeübergreifendes Projekt überhaupt realistisch? Besteht die plausible Aussicht, in München eine Unterstützung für das Projekt zu bekommen?

Fragen zu dem Anbieter urb-x

  • Ist die Firma 100% seriös oder zu sehr in innerschweizer Konflikten gefangen, da einige der Protagonisten auch Lokalpolitiker sind?
  • Ist die Firma in der Lage, ein so großes Projekt zu realisieren? Bisher gibt es nur eine gescheiterte und eine geplante kurze Referenzstrecke?
  • Hat das Unternehmen die Kapazitäten, das Projekt schnell und exakt umzusetzen?

Kosten

  • Was würde das Gesamtprojekt kosten?
  • Unter welchen Bedingungen ist von welcher Seite mit Zuschüssen zu rechnen?
  • Welche Kosten sind pro Auf-/Abfahrtsrampe inklusive Brückenanschluss-Bauwerk und pro Km Strecke zu erwarten?
  • Liegen Kostenberechnungen unter realen Bedingungen und von einem unabhängigen Fachgutachter verifiziert, vor?
  • Wie könnte sich der stark steigende Holzpreis auf die Kosten des Projekts auswirken?

Realisierungsprozess

  • Kann überhaupt von Anfang an mit urb-x zusammengearbeitet werden? Ist nicht vielmehr eine offene europaweite Ausschreibung nötig?
  • Welche Gremien sind zu involvieren?
  • Wie kann/soll die Bürger:innenbeteiligung ablaufen?
  • Was wäre ein realistischer Realisierungszeitraum?
  • Kann das Projekt in mehrere Bauabschnitte aufgeteilt werden? Wann ja, in welche?

 

 

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