Presseerklärung 27. September 2022
Warum die Fraktion von BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN gegen die Änderung des Aufstellungsbeschlusses für die 42. Flächennutzungsplanänderung zum Zwecke einer möglichen Ansiedlung von Gewerbe (Isar aerospace, Blackwave) auf der Finckwiese stimmt.
Die Gemeinde Haar hat aktuell ein Einnahmeproblem und alle Fraktionen im Rathaus und die Verwaltung selbst arbeiten intensiv daran, neue Unternehmen und damit neue Gewerbesteuerzahler nach Haar zu locken. Zugleich ist die Gemeinde eine flächenmäßig kleine Gemeinde. Sie hat nur eine beschränkte Anzahl von Flächen, die für weitere Gewerbeansiedlungen geeignet sind. Zumindest wenn wir die bisherige Struktur des Orts erhalten wollen.
Vor diesem Hintergrund haben wir zu entscheiden, ob wir eine ca.12 ha große Fläche, die für Landwirtschaft genutzt wird und an einen Bannwald grenzt, für die Ansiedlung von Produktionshallen, Büros, Parkplätzen und Erschließungsflächen (z.B. Straßen, Höfe) nutzen wollen.
Wir haben unsere Entscheidung im Wesentlichen anhand der Beantwortung dieser drei Frage getroffen:
- Haben wir es mit einem Unternehmen zu tun, von dem wir glauben, dass es eine mindestens 20-jährige Perspektive für eine Zusammenarbeit mit der Gemeinde gibt?
- Sind die Bedürfnisse des Unternehmens bzw. des Investors mit den Zielen der Haarer Ortsentwicklung in Übereinstimmung zu bringen?
- Trägt die Ausweitung dieser Gewerbeflächen zur Verbesserung der Einkommenssituation der Gemeinde bei?
Zur ersten Frage:
Isar aerospace ist ein junges Unternehmen in einer High-Tech-Branche, in einem Markt (kleine Trägerraketen), dem von Experten Wachstumspotenzial attestiert wird, und verfügt augenscheinlich über eine gute Einbindung in die europäische Weltraumwirtschaft. Damit ist es sicherlich ein Unternehmen, dessen Ansiedlung für fast jede Gemeinde interessant sein könnte und Chancen in der Zukunft bieten kann.
Eine längerfristige Perspektive in Haar erscheint jedoch unsicher. In den Diskussionen mit dem Unternehmen wurde nämlich deutlich, dass das Unternehmen Wachstumsziele hat, die bereits in 10 bis 15 Jahren eine Ausweitung der Produktionskapazitäten, sprich zusätzliche Produktionshallen zur Folge hätten. Tritt dieser Fall ein, gäbe es entweder keine Erweiterungsmöglichkeiten in Haar oder aber die Bebauung müsste in Richtung Autobahn ausgeweitet und Bannwald gerodet werden. Ein wichtiges Haarer Naherholungsgebiet wäre zerstört.
Die zweite Firma, die Interesse an dem Standort hat, hat nach eigenem Bekunden gerade neue Räumlichkeiten bezogen und derzeit einen weniger dringlichen Bedarf. Da sie jedoch als Zulieferer fungiert, würde sie mitziehen und mitwachsen wollen. Auch hier stellt sich die Frage nach Erweiterungskapazitäten.
Selbstverständlich gibt es auch das Negativszenario, die beiden Firmen können am Markt nicht bestehen. Die Folge wäre für Haar dieselbe wie im Falle eines Wegzugs. Wir hätten auf dem Gemeindegebiet riesige Produktionshallen leer stehen.
Zur zweiten Frage:
Die Fläche, auf der die Ansiedlung erfolgen soll und das danebenliegende Feld (im Haarer Sprachgebrauch „Finckwiese“), sind bisher unbebaut. Nach Auffassung einer großen Mehrheit im Gemeinderat stellt es ein Filetgrundstück dar, dessen Bebauung nicht prioritär ist, solange andere potenzielle Gewerbegebiete nicht entwickelt sind.
Eine Entwicklung sollte, wenn überhaupt, ohne eine Beschneidung oder Schädigung des Bannwaldes, auf der bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche erfolgen. Dies könnte den Ortseingang verbessern. Eine Bebauung sollte in ihren Proportionen und in ihrer Größenentwicklung zur Rahmenplanung B304 sowie den weiteren örtlichen Gegebenheiten passen. Die bisher vorgestellten Bedarfe, die zu einer Produktionshalle mit einer Gesamtfläche von über 5 ha und einer Höhenentwicklung von Gebäudeteilen zwischen circa 20 m und bis zu 35 m führen, passen hier nicht hin. Nachfragen inwiefern flächensparendere Ausführungen denkbar wären, wurden negativ beantwortet, obwohl an anderen Standorten über wesentlich kleinere Grundstücke verhandelt wird.
Nach den bisherigen Plänen sollen zwischen 600 und 700 Personen in dem neuen Gewerbegebiet arbeiten. Es soll sieben Tage die Woche rund um die Uhr produziert werden. Es wird Lieferverkehr (Rohstoffe und Teile hin, Raketen weg) geben; dies alles an der am stärksten belasteten Kreuzung in Haar. Noch haben wir dazu keine detaillierten Prognosen erhalten. Aussagen zum erforderlichen Lieferverkehr werden mit vagen Angaben beantwortet, Verkehrsbewegungen der Arbeitnehmer kleingeredet. Da parallel zum Ausbau der Arbeitsplätze kein Ausbau der Wohnmöglichkeiten in Haar geplant ist, sind wir hier kritisch. Zumal wir im Rahmen des bisherigen Prozesses von immer neuen, negativen Veränderungen überrascht wurden (z.B. Flächenbedarf, Situierung des Gebäudes, Höhenentwicklung, Gesamtsumme der dort Tätigen).
Die Finckwiese hat gerade auch mit Blick auf die Klimaveränderung und die dadurch wärmeren Sommer eine wichtige Funktion als Frischluftschneise. Auf unsere Nachfrage, ob dieser Aspekt bei den bisherigen Planungen berücksichtigt wurde, wurde deutlich, dass dies nicht der Fall ist.
Zur dritten Frage:
Aufgrund der hohen Investitionen, welche die standortsuchenden Firmen nach eigenen Bekunden tätigen müssen und deren bisherige Geschäftsentwicklung (Ansammlung von Defiziten, was in dieser Phase durchaus normal und nicht besorgniserregend ist) sind nennenswerte Gewerbesteuerzahlungen erst in ferner Zukunft realistisch. Ob bis dahin die Unternehmensstruktur noch so sein wird, dass Gewerbesteuern Haar zu Gute kommen, sei dahingestellt.
Eine wesentliche Steigerung der gemeindlichen Einnahmen durch die Ansiedlung hochqualifizierter Arbeitsplätze wird nicht stattfinden, da sich für die Mitarbeitenden keine Möglichkeiten ergeben, in Haar zu wohnen oder sie ansässige Personen verdrängen müssten.
Das insbesondere von der CSU bemühte Argument, man würde mit der Ansiedlung dieser Firmen andere interessante Firmen nach Haar locken, die im Hi-Tech-Bereich tätig sind und viel Gewerbesteuer bezahlen könnten, ist entgegenzuhalten, dass wir sehr wenig Fläche für die Ansiedlung weiterer Produktionsbetriebe haben und Entwicklungs- und Forschungsabteilungen für sich genommen keine Gewinne erwirtschaften und somit auch keine Gewerbesteuer bezahlen.
So bleibt festzuhalten:
Es ist ein spannendes Unternehmen in einer Wachstumsbranche, dem wir aber als flächenkleine Gemeinde keine mittelfristige Perspektive bieten können (fehlende Erweiterungsflächen). Das erhöht aus unserer Sicht erheblich das Risiko, dass wir am Ende leerstehende Produktionshallen auf unserem sogenannten Filetgrundstück haben und aus „Sachzwängen“ die Ansiedlung von Unternehmen hinnehmen müssen, die wir alle niemals in Haar haben wollten. Ernsthafte Ortsentwicklung geht anders.
Das jetzt vorgestellte Projekt passt in seinen Dimensionen in keiner Weise in die Ortsplanung. Zentrale ökologische Fragen (Ausgleichsflächen, Funktion als Frischluftschneise, Verkehrsbelastung) wurden bisher entweder gar nicht angegangen oder unzureichend bearbeitet. Das Projekt bietet weder direkt (Gewerbesteuer) noch indirekt (Einkommenssteuer oder Ansiedlung weiterer Unternehmen) in absehbarer Zeit eine Möglichkeit die gemeindlichen Finanzen zu stabilisieren.
Infolge dessen können wir als Fraktion von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN diesen Änderungsplänen nicht zustimmen.
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